Rosshaareinlage
Eine Rosshaareinlage wird bei hochwertigen Maßanzügen zur Strukturierung der Form verarbeitet. Sie befindet sich in den Revers und in der Front der Sakkos.
Die Rosshaareinlage in der Konstruktion von Sakkos
Maßschneider setzen die Rosshaareinlage seit hunderten von Jahren ein, damit Kleidungsstücke beim Tragen die Form halten. Ob es sich um Sakkos, Trachtenjanker, Fräcke, Gehröcke oder auch um Mieder handelt – überall wird traditionell mit Rosshaareinlagen zur Strukturierung gearbeitet.
Heutzutage ist die Verarbeitung von echtem Rosshaar allerdings eine absolute Seltenheit und ein Qualitätsmerkmal von Spitzenprodukten. Im Vergleich zu künstlichen Materialien ist Rosshaar teuer und die Einlage aufwändiger zu verarbeiten. Anzüge von der Stange produziert man daher mit viel billigeren Einlagen aus Kunstfaser-Kombinationen, die man in einem thermoplastischen Verfahren mit Klebepunkten fixiert. Dieser Klebeprozess, man nennt ihn Fused, dauert nur Sekunden, während die Handpikierung von echten Rosshaareinlagen tatsächlich Stunden an Handarbeit bedeuten.

Konstruktion eines Bespoke Maßanzugs mit Rosshaareinlage von Maßschneider Detlev Georg Diehm.
Das Material der Rosshaareinlage
Es ist tatsächlich so: die Rosshaareinlage stammt vom Ross, also von Pferden. Man verwendet dazu die sprungelastischen langen Haare vom Schweif, entsprechend hat die Einlage auch eine Breite von 60 cm. Allerdings ist die Rosshaareinlage in Wirklichkeit eine Kombination zweier Materialien: nämlich dem Rosshaar im Schuss und Baumwolle in der Kette.
Was bedeuten Kette und Schuss eigentlich? Es hört sich kompliziert an, ist aber ziemlich einfach: die Kettfäden spannen sich vertikal über den Webstuhl, den horizontalen Schuss führt man zwischen den Kettfäden ein. Dabei ist die Leinwandbindung die einfachste Variante, denn bei ihr führen die Schussfäden abwechselnd über und unter der Kette entlang. Dadurch ergibt sich auch das markante Fadenkreuzungsmuster. Und tatsächlich wird die Rosshaareinlage im Englischen auch Leinwand genannt: nämlich als Canvas. So bezeichnet man die Verarbeitungsweisen bei Made to Measure Maßanzügen auch als Full Canvas und Half Canvas.
Das Material aus elastischem Rosshaar und Baumwolle eignet sich bestens für die Konstruktion von Sakkos. Es ist elastisch, äußerst haltbar, atmungsaktiv und formstabil. Zudem lässt sich die Rosshaareinlage perfekt durch Dämpfen in Form bringen.
Aber Achtung: denn manchmal ist das Ross kein Pferd, sondern ein Kamel! So wird die Grundwattierung von Revers beim Reiser Bespoke Maßschneider Detlev Georg Diehm mit Rosshaareinlagen aus Kamelhaar versehen.
Die Verarbeitung Full Canvas und Half Canvas
Die absolute Spitzenklasse ist der Bespoke Maßanzug. Unser Maßschneider Detlev Georg Diehm bespricht jedes Detail mit dem Kunden und fertigt anschließend das Sakko mit der gewünschten Menge und Form an Einlagen. Förmlichere Kleidungsstücke, wie etwa ein Frack oder ein Cutaway, beinhalten mehr Einlagen, unstrukturierte und lässig sitzende Sommer-Sakkos hingegen fast gar keine. Die Befestigung erfolgt durch das Handpikieren, einem sehr zeitintensiven Prozess, der aber durch seine flexible Verbindung zu den besten Ergebnissen führt.
Bei der Reiser Made to Measure Linie gibt es verschiedene Verarbeitungsvarianten. Full Canvas beinhaltet eine Rosshaareinlage in den Revers und im kompletten vorderen Bereich des Sakkos (im Jargon der Schneider Plack genannt). Dies wird auch traditionelle Verarbeitungsweise genannt. Half Canvas ist zwar etwas einfacher, aber immer noch deutlich aufwändiger als bei Anzügen von der Stange: hier befinden sich pikierte Rosshaareinlagen allerdings nur in den Revers. Bei beiden Methoden erfolgt die Pikierung der Rosshaareinlagen maschinell.